Bielefelder Stoffgeld

Wir sind in Bielefeld daheim. Deshalb sind wir Ihre Spezialisten für Bielefelder Stoffgeld. Wollen Sie mehr darüber wissen. Bei uns finden Sie eine Einführung ins Thema und eine Fülle von Erklärungen zu den interessanten Motiven.

Viele Städte des deutschen Reichs gaben in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg ihr eigenes Notgeld aus. War zunächst tatsächlich ein Mangel an Münzgeld der Grund dafür, entwickelten sich die meist günstig zu kaufenden Notgeldscheine zu einem begehrten Sammelobjekt. Die Stadt Bielefeld war besonders aktiv und erfolgreich bei der Herstellung von sammelwürdigem Notgeld.

Dahinter stand Paul Hanke (1870-1945), Direktor der Stadtsparkasse Bielefeld bis zum Jahr 1925. Er nahm nicht nur Einfluss auf die Gestaltung der Banknoten, er beschrieb sie auch in den lokalen Zeitungen aufwändig, um sie den Bürgern seiner Stadt als Erinnerungsobjekt an die Vergangenheit ans Herz zu legen. Besonders anlässlich des 700-Jahr-Jubiläums der Gründung der Stadt Bielefeld ließ er eine Fülle von Notgeld herausgeben. Dieses bestand, um es von den bunten Scheinen der Konkurrenz abzusetzen, aus Seide. Um für Sammler besondere Raritäten zu erzeugen, wurden einzelne Scheine sogar mit einer aufwändigen Borte eingefasst.

Erhalten geblieben ist uns sein Artikel in der Sonderausgabe der Zeitschrift „Niedersachsen“, die anlässlich des Jubiläums von 1921 erschien. In ihm schildert er gefühlvoll, wie sich eine Bielefelder Familie des Jahres 2000 die Geschichte ihrer Stadt anhand der Notgeldscheine vergegenwärtigt.

Es ist im Winter des Jahres 2000. In der trauten Klause des Einfamilienhauses am Lehmstich in Bielefeld sitzt der Weber Hennerken Kralemeier. Mit dicken Wolken pafft er den Crüwellschen Tabak aus einer kurzen Soldatenpfeife. Die Pfeife ist ein Erbstück seines Großvaters. Eine behagliche Wärme durchströmt den Raum. Das städtische Gaswerk versorgt durch eine „Zentral-Heizungsanlage“ die Bielefelder Wohnhäuser mit den nötigen Wärmestoffen. Neugierig betrachtet der zehnjährige Sohn Christian den hübsch geschnitzten Pfeifenkopf; weiß er doch, daß Vater das Erbstück aus Kriegszeit hoch in Ehren hält. Mit dieser Pfeife ist der Großvater als Leineweber auf dem Fünfmarkschein der Stadt Bielefeld Weihnachten 1918 abgebildet worden.

Als Mutter den dampfenden Pickert auf den Tisch brachte und Pumpernickel, mit westfälischem Schinken und „wirklicher Butter“ aus der städtischen Molkerei dazustellte, ging ein behagliches Schmunzeln über das Gesicht von Hennerken Kralemeier. „Ja damals, als Großvater noch lebte, und der erbitterte Krieg auch den Bielefeldern das Hungern lehrte, ja damals, da war’s anders, und recht böse sah es aus“, dabei legte er sich den Pickert mit dick bestrichener Butter in doppelter Auflage auf den Teller. „Ja Hennerken“, sagte mein Großvater zu mir: „Wir haben es mitunter recht knapp gehabt in Bielefeld. 850 Pferde, das ist die Bespannung von zwei kriegsstarken Schwadronen Kavallerie, haben wir allein während der drei Monate von Dezember 1917 bis Februar 1918 in Bielefeld, für teures Geld, aufgegessen. 50g Fleisch standen uns, an 5 Tagen in der Woche, auf Marken zu. „Auf Briefmarken“, fragt der zehnjährige Sprössling? „Nein, auf Fleischmarken!“, lautet die Antwort. „Vater, sind das Marken aus Fleisch?“ „Dummer Junge,“ knurrt der Vater, „Großvater erzählte immer, daß Lebensmittel nur gegen kleine Papierzettel, die auf dem Rathaus ausgegeben wurden, beim Händler zu kaufen waren“. „Ja, ja,“ seufzt Mutter Kralemeier, „auch meine Großtante Lohmann dachte mit Schrecken an diese Zeit, in der sie die Stachelbeeren aus ihrem Garten ohne Zucker einkochen mußte. Ich habe eins von den vielen Büchern geerbt, die die Stadt-Sparkasse Bielefeld im Rathaus ausgegeben hatte, da steht genau drin, wie man die verschiedensten Kartoffelgerichte ohne Fett herstellen und aus Brennesseln einen schmackhaften Salat machen kann. Im ganzen Monat Mai 1918 erhielt jeder in Bielefeld nur 250g Suppen, 250g Teigwaren, 250g Morgentrank, 900g Fleischwaren, also nicht einmal 2 Pfd. Fleisch für vier Wochen, und 7 Pfd. Kartoffeln wöchentlich; da hieß es, sich einrichten!“

„Mutter, woher weißt du das alles so genau?“ fragt der kleine Stift. „Ja Junge,“ erklärt stolz der Vater, „das steht alles auf den Notgeldscheinen, die die Stadt Bielefeld vor mehr als 80 Jahren herausgegeben hat. Auf dem Zehnmarkschein steht, neben zwei Frauen in schmucker Ravensberger Tracht, der Sinnspruch: Ehret die Frauen! Und dann ist da, ganz klein, noch ein Vers abgedruckt:

Der Krieg ist kein Schlaraffenland,
Mit Brot und Fleisch war’s knapp bestellt,
Doch half der Hausfrau Meisterhand
Durchhalten, in dem Krieg der Welt.

Darunter stehen dann alle die Zahlen und Lebensmittel, die Mutter dir eben angegeben hat.

„Geh’ doch mal nach der guten Stube und hole aus der unteren Schublade der Kommode das Album mit dem Kriegstagesbuch und den Kriegsnotgeldscheinen der Stadt-Sparkasse hervor.“ Stolz “ brachte Christian das Gewünschte. Fein säuberlich waren die Notgeldsscheine, je zwei auf jeder Seite, befestigt. Diese Aufbewahrung war besonders praktisch und glücklich; jeder Schein war doppelt. Man konnte sofort die Vorder- und auch die Rückseite genau betrachten. Der freie Raum auf jeder Seite der Kartonblätter war mit handschriftlichen Notizen des Großvaters versehen, die die Eigenheiten der Bielefelder Kriegsnotgeldscheine erläuterten. „Ja, mein Junge,“ sagt Hennerken Kralemeier, „sieh mal, so hübsch hat Großvater an uns gedacht; diese Notgeldsammlung ist angelegt, um den Enkeln und Urenkeln noch Zeugnis abzulegen von der ernsten Zeit, in der 11 000 Bielefelder gegen 29 feindliche Staaten kämpfen. Dein Großvater hat sich brav geschlagen; das eiserne Kreuz und einen Schuß durch die große Zehe hat er sich im Felde geholt. Großvater stand erst bei den 55ern und dann bei den 131ern, also bei beiden Infanterie-Regimentern, die früher in Bielefeld lagen. Sieh mal hier den Zwanzigmarkschein der Stadt-Sparkasse, da steht auf der Rückseite der Ausspruch des großen Generalfeldmarschalls v. Hindenburg: „Ich weiß, daß ich mich auf das Regiment 131 verlassen kann. „Sieh, diese Stelle, die du mit der Vergrößerungsbrille deutlich aus dem Untergrunde hervorleuchten siehst, hat dein Großvater mir oft mit Stolz gezeigt. „Du, Junge,“ sagte er zu mir, „denk später noch an deinen Großvater, die Ruhmestage, die auf dem Stadtschein neben den hübsch gezeichneten Soldatenköpfen abgedruckt sind, enthalten die Daten, an denen unsere Bielefelder mit Franzosen und Russen, Engländern und Amerikanern, Schwarzen und Weißen um unsere liebe Heimat gekämpft haben. Wenn du auf der Rückseite des Zwanzigmarkscheins links die Buchstabenreihe entziffern kannst, dann liest du den Namen unseres braven Bielefelder Rekrutenleutnants: Kastrup, der für seine Tapferkeit vor dem Feinde zum Offizier befördert wurde; wir Bielefelder haben uns tapfer geschlagen. Der Spruch auf dem Zwanzigmarkschein: „Und wenn die Welt voll Teufel wäre, es muß uns doch gelingen!“ war unser Kampfruf, wenn wir mit westfälischen Fäusten, voll innerer Wut, dem Feinde die Denkzettel erteilten!“

Auf der Platzanweisung zu 10 Pfg. kannst du die Lebensmittelpreise lesen, die in Bielefeld im Jahre 1917 und in Paris im Jahre 1870 gezahlt wurden; 1917 kostete ein Hühnerei in Bielefeld nur 28 Pfg. Kartoffeln waren aber so knapp, daß im Winter 1916/17 30000 Zentner Steckrüben in Bielefeld verzehrt wurden.

Wenn du den 25-Pfg.-Schein dir ansiehst, dann kannst du aus der Rübe mit einem Gesicht, die der Zeichenlehrer Eich aus Bielefeld entworfen hat, sehen, wie der Bielefelder aussah „vor dem Genuß“ und wenn du den Schein umdrehst, dann siehst du, wie er „nach dem Genuß“ der Steckrüben seine Miene verzogen hat. Auf jedem Notgeldscheine der Stadt Bielefeld siehst du immer wieder neue Kriegserinnerungen, die in Wort und Bild festgehalten sind. Stundenlang kannst du dich an den Scheinen erfreuen. Westfälische Sitte und Kulturgeschichte, Kriegserinnerung und künstlerisches Können in der Festlegung schwungvoller Zeichnungen sind auf den farbenfrohen prächtigen Scheinen vereinigt.

Wenn du wissen willst, wann Deutschland das Waffenstillstandsangebot nach Amerika, an den Präsidenten Wilson, abgesandt hat, wenn du nachlesen willst, wann der Friede mit Rumänien oder Rußland abgeschlossen wurde, oder an welchem Tage Kaiser Wilhelm II. abdankte und Deutschland Republik wurde, oder der Volks- und Soldatenrat in Bielefeld zusammentrat, dann brauchst du nur auf dem Fünfmarkscheine nachzusehen. Der Schein enthält auch die sämtlichen Namen der 29 Staaten, mit denen Deutschland Krieg führte. Alle Scheine zusammen, die von der Stadt-Sparkasse Bielefeld in den Verkehr gebracht wurden, bilden in sich ein geschlossenes Ganze. Wie in einem Erinnerungsbuche vereinigt findest du alle diejenigen Kriegsbilder künstlerisch festgehalten, die dir die Bielefelder Heimatgeschichte lieb und wert machen.

Als Großvater Weihnachten 1917 im Felde lag, hatten sich unsere Truppen im Schützengraben eingebuddelt. Großvater erhielt von der Stadt Bielefeld eins von den 60 000 Feldpaketen, die die Bielefelder Kriegshilfe als Liebesgabe in die Welt gesandt hatte. Dem Weihnachtspäckchen lag eine Preisaufgabe der Stadt-Sparkasse bei. Unsere Bielefelder Jungens sollten die Bielefelder Rübe im Gedicht oder in einer Zeichnung für die Geldscheine festhalten; für die besten Aufgaben wurden Ehrenpreise ausgesetzt. Was meinst du wohl, Junge, was das für eine Freude war?: eine halbe Wagenladung der Gedichte wurde an die Stadt-Sparkasse Bielefeld gesandt. Das Rübenmuster aus den Zehn- und Zwanzigmarkscheinen: „Bielefeld, Rübenfeld,“ das verkleinert auf dem Zehn- und Zwanzigmarkscheine wiedergegeben wurde, ist von einem Bielefelder im Schützengraben gezeichnet worden.

Der Zweimarkschein kann auf den Kopf gestellt werden, und sieht von oben und unten gesehen, gleich aus. Die Kriegsausgaben der Stadt Bielefeld sind mit genauen Zahlen des Verbrauches wiedergegeben.

Der Einmarkschein enthält den Wahlspruch: Freie Bahn dem Tüchtigen, und den Untergrund „Bielefeld, Leinenstadt, schöne Stadt“. Der Volkswitz hat sich des Einmarkscheines besonders angenommen; die auf der Rückseite wiedergegebenen bockspringenden Soldaten haben die Deutung erfahren: Minister Severing, früher Stadtverordneter in Bielefeld, überspringt, durch seine Ernennung zum Minister, den Bielefelder Oberbürgermeister.

Von besonderem Interesse ist der Fünfzigmarkschein, mit angehefteter Scheckleiste über 20 Mark. Notgeld in des Wortes bester Bedeutung war dieser Schein. Die erforderlichen Geldmittel zur Zahlung: der Kriegsunterstützungen an die Kriegerfrauen blieben aus. Die Staatskassen hatten keine Geldmittel erhalten. Die Stadtkasse mußte zahlen, um Unruhen in der Bürgerschaft zu vermeiden. Geld war nicht aufzutreiben. Über Nacht wurden die Scheckformulare der Stadt-Sparkasse mit einem Ausdruck „50 M“ und die Scheckleiste mit „Gutschein 20 M“ versehen; die noch nicht trockenen Scheine konnten die Geldnot beseitigen. Nicht nur die städtischen Kassen, sondern auch die Reichsbank und die übrigen Geldinstitute benutzten den Fünfzigmarkschein der Stadt-Sparkasse mit der Gutscheinleiste über 20 Mark als Notgeld. Wie warme Brötchen beim Bäcker, gingen die Scheine flott ab; sofort von der Druckerei in den Verkehr.

„Ja Vater,“ sagt Christian, der mit leuchtenden Augen der Erklärung des Vaters gefolgt war, „hier auf den folgenden Seiten im Album sind ja noch weitere künstlerische Wertscheine mit dem „Gesundbrunnen von Bielefeld“ und dem „Schmied von Bielefeld, was hat das denn zu bedeuten?“ „Sieh mal Junge“ erklärt der Vater, „bei diesen neuen Scheinen handelt es sich um eine zweite Serie, die die Bielefelder Geschichte in 700 Jahren behandelt. Bielefeld gehörte früher zur Grafschaft Ravensberg. Krieg und Schrecken des Dreißigjährigen Krieges sind auch am Bielefelder Leinenstädtchen nicht spurlos vorübergezogen. Der Kampf mit Tod und Teufel, mit Krankheit, Pest und Weibertücke wird in diesem Notgelde festgehalten. Von Professor Steinach, der vor 80 Jahren die alten Menschen verjüngen wollte, hast du gewiß in einem alten Schmöker schon gelesen. Nun sieh mal, die Bielefelder haben einen „Jungbrunnen“ schon vor vierhundert Jahren gehabt. Der hochfeine, seidene 25-Markschein, den du hier siehst, das Prachtstück der Sammlung, ist vor langen Jahren von dem im Jahre 1999 verstorbenen Lehrer an der Kunstgewerbeschule Bielefeld, Herrn Muggly, mit kunstvoller Linienführung gezeichnet worden. Herr Muggly hatte eine geschickte Hand für Glasmalerei. Beim Kriegerdenkmal am Oberntorwall steht noch das Wetterhäuschen mit den hübschen farbenfrohen Glasarbeiten in Mosaik, die er gefertigt hat.

Bielefeld war früher Kurort, bis zum Jahre 1666. Auf dem Köttelbrink, dem späteren Kaiser-Wilhelm-Platz, dort wo jetzt das Forum mit der prächtigen Stadthalle, den großen Lesesälen und der Stadt-Sparkasse mit der Stadtbank steht, die bei einem Zinssatz von 3 1/2 % für Scheckgelder, 120 Millionen jährlich umsetzt, und die so groß ist, daß man mit einem städtischen Automobil von der einen Abteilung zur anderen fahren kann, war früher der Bielefelder Gesundbrunnen. 438 Heilungen wurden in zehn Wochen erzielt. Dr. med Redecker, der auch früher Bielefelder Oberbürgermeister war, bestätigte dies, wie du es auf dem zum 700jährigen Stadt-Jubiläum herausgegebenen Zweimarkscheine noch nachlesen kannst. Professor Steinach hat seine Verjüngungskur hauptsächlich an Ratten und Kaninchen und nur an wenigen Menschen erprobt. Der von Herrn Muggly in humorvoller Weise festgehaltene Jungbrunnen, in den alte Jungfrauen mit Krücken hineinstiegen, um in leuchtender Schönheit jugendfrisch wieder herauszukommen, zeigt die verblüffenden Erfolge der Bielefelder Verjüngungsmethode an der holden Weiblichkeit. Heute noch siehst du in der Bielefelder Obernstraße stets nur hübsche junge Mädchen. Professor Steinach ist glänzend geschlagen!!!

Die humorvollen Eckbilder beim 25-Markschein, in denen „Hennerken Puls“, ein Bielefelder Original, an einem Sonntagmorgen ein Bad im Lutterbach nimmt, sind urwüchsig und heiter. Die Bielefelder Färbereien führten ihre Abwässer und Farbstoffe dem Lutterbache zu. Hennerken, der im angesäuselten Zustande nicht daran dachte, stieg entkleidet in den Lutterbach und sah plötzlich mit Entsetzen, daß er vollständig blau gefärbt wurde. Die Versuche, sich nachträglich „weiß zu waschen“, gelangen zum größten Jubel der Bielefelder Jugend nur sehr kläglich. Aber höre nur weiter zu: Als Bielefeld noch ein kleines Leinenweberstädtchen war, wurden die sämtlichen Bekanntmachungen durch den Ratsdiener ausgeklingelt. Die am Lutterbach liegenden Bleichereien und Färbereien wurden gewarnt, durch ihre Abwässer das Wasser des Lutterbachs zu verunreinigen, dies war an den Tagen, an denen die Brauereien ihr Dünnbier brauten. Es geschah dies in humorvoll drastischer Weise mit dem Ausrufe:

Es wird hiermit bekannt gemacht,
daß niemand in die Bache „spuckt“
denn morgen wird gebraut.

Auch diese und andere Erinnerungen an Bielefelder Freud und Leid sind in der neuen Serie festgehalten. Der Bielefelder 25-Markschein ist von der Firma Gundlach in Bielefeld aus Bielefelder Seide gedruckt. Auch auf Bielefelder Leinewand, dem Erzeugnis unseres Bielefelder Gewerbefleißes, sind Jubiläumsschiene hergestellt. Zahlreiche Freunde der Bielefelder Notgeld-Eigenheiten haben ihr lebhaftes Interesse, durch starke Nachfrage nach den neuen Scheinen, geltend gemacht. Bielefeld will im Notgelde eigene Wege gehen. Nicht Nachahmung, sondern persönliche Eigenart, westfälische Sitte und Ravensberger Schaffensdrang kommt in der Neuheit treffend zum Ausdruck.

Ein- und Zweimarkscheine enthalten, neben statistischen Angaben aus der 700jährigen Geschichte unseres Heimatstädtchens, Bielefelder Besonderheiten in hochkünstlerischer Wiedergabe. Hausmarken, wie sie am alten Bielefelder Schmuckhäuschen noch heute angebracht sind finden wir auf dein Scheinen wieder. Wie die adligen Höfe früher ihr Wappen führten, so hatten die Bielefelder Bürger sich im 16. und 17. Jahrhundert Hausmarken zugelegt. Ähnlich wie die Fabrikmarken der Jetztzeit wurden diese Zeichen in der Familie von Geschlecht zu Geschlecht erhalten. Mann und Frau hatten vielfach ähnliche Zeichen mit kleinen Abweichungen. Schreibunkundige Personen benutzten ihre Hausmarken als Zeichen eigenhändiger Unterschrift. Am Giebel des Hauses Consbruch, Obernstraße, der die Schönheiten des alten Hauses jetzt wieder erkennen läßt, sieht man im oberen Felde noch die Hausmarke, die auch auf dem Bielefelder Geldschein wiedergegeben ist. Wer die vielen Eigenheiten, die sonst noch auf den Scheinen enthalten sind, kennen lernen will, lege sich eine Meistersammlung des Bielefelder Kunstfleißes zu.

Die Stadt Bielefeld hat die alte westfälische Sitte, Inschriften an Bauernhäusern anzubringen, auf die Geldscheine übernommen. Urwüchsige Bilder, wie sie in Holz geschnitzt sich an den Giebeln in farbenfroher Zeichnung wiederfinden, sind auch im Bielefelder Notgeldschein festgehalten. Sämtliche Scheine sind mit Sinnsprüchen versehen, die dem bodenständigen Charakter unserer Ravensberger angepaßt sind. Auf den kleineren Geldscheinen zu 10, 25 und 50 Pfg. findest du die Namen der Mitglieder der Sparkassenverwaltung in Bilderrätseln: Heringshaus, Horn, Ruscher, Jockusch, Brüggemann, Hanke. Alte Sagen aus früheren Jahrhunderten tauchen wieder auf bei den 50-Pfg.-Scheinen, die zur 700jährigen Jubiläumsfeier in den Verkehr gebracht wurden.

Interessant sind die Schnurren und Bielefelder Döhnekens: „Höre, Junge, hast du schon mal vom Schmiedken von Bielefeld gehört?“ „Vater, ist das der besuffne Käl?“ „Ne, Junge, Schmiedken von Bielefeld holl ümmer de Ohren stief, he drunk, wann he trurig was un he drunk, wann he Pläseer harr. Da kannst dich up verloten, he was enen schlauen und tüchtigen Käl. Dat Schmiedken ut Bielefeld sitt in’n Himmel up sienen Schuotfell, he sitt in’n Himmel wie so’n richtigen Westfalen up sien Eegen, da kann der Herrguott nix dran dauhn. Durch siene Fisematenten kam he glücklich in’n Himmel. Dat was een Pläseer, he harr bei eener großen Proßjon in’n Himmel de Fahn driägn bis he ut den Himmel herut was. Da schmeet Petrus de Düer tau und Schmiedken sog, dat he alleen ut den Himmel stond und Petrus kek ut eenen Fensterken und greisen. He luert noch ümmer und kümmt erst wieder in’n Himmel, wenn jeder Kunstfreund dat Notgeld der Stad’ Bielefeld geköpt hat.

Sieh mal, Junge, die Scherenschnitte der 50-Pfg.-Scheine sind Meisterwerke. Sie sind in Schwarz-weiß-Manier von dem Mitinhaber Schreiber der Bielefelder Kunstdruckfirma Klocke u. Schreiber angefertigt. In Bielefeld hat sich in früheren Jahrhunderten aus der Handweberei die Maschinenfabrikation entwickelt. Auch die Scherenschnitte haben im Lauf der letzten 80 Jahre einen Weltruf erlangt. Nach Amerika und Spanien, nach der Schweiz und Holland wurden die Bielefelder Notgeldscheine abgegeben. Die künstlerischen Scherenschnitte haben so großen Beifall gefunden, daß die Stadt Bielefeld eine eigene Scherenfabrik angelegt hat. Am grünen Winkel, dort, wo die Heeper Fichten stehen, siehst du die vielen kleinen Häuschen, in denen die 800 Arbeiter wohnen, die in der städtischen Scherenfabrik angestellt sind. Großvater sagte immer: „Die Notgeldscheine halte hoch in Ehren.“ Die eigenartigen, kunstvollen Scheine steigen von Jahr zu Jahr im Wert und stellen heute ein großes Vermögen dar.

Für einen einzelnen Abdruck eines alten Bielefelder Fünfmarkstücks wurden im Jahre 1918 bereits 28 000 M in bar bezahlt. Die vollständigen Sammlungen der Notgeldscheine werden später sehr gesucht werden. Ein Hofrat aus Wien schrieb: „Bielefeld hat durch sein Notgeld ein Werk von kulturgeschichtlicher Bedeutung vollbracht.“ Du erhältst die Sammlung später als Erbschaft. Mutter und ich glauben, daß der Wert der Sammlung dir später mal die Anschaffung einer eigenen schuldfreien Besitzung möglich machen wird.

Bielefeld. Paul Hanke. 1921